Die Leere der materiellen Welt
Wir denken mit Begriffen. Über Dinge, für die wir keine Worte, keine Begriffe haben, können wir nur umständlich nachdenken und kommunizieren. Begriffe bezeichnen Verallgemeinerungen von einzigartigen Dingen. Wir benutzen das Wort "Hund" als Bezeichnung für die vielen einzigartigen Lebenwesen, die zur Klasse der Hunde gehören. Die Erkenntnisfähigkeit von Menschen wird durch eine sehr reichhaltige Sprache (z. B. die deutsche, wie sie die Dichter und Denker früher noch kannten) gefördert. Dort, wo Begriffe fehlen oder zu grob sind, werden differenziertes Denken und Kommunizieren behindert. Beispiele für solche vagen Begriffe sind Gott, Geist, Seele, Intelligenz, Liebe, Glück, Bewusstsein.
Die materielle Welt ist unendlich vielfältig und komplex. Um sich in ihr zurechtfinden und überleben zu können, muss ein wahrnehmendes Lebewesen diese Komplexität reduzieren zu einem Modell, einem Abbild: seinem "Weltbild". In diesem Modell werden Dinge und Zusammenhänge, die komplex und einzigartig sind, isoliert und klassifiziert und mit Begriffen bezeichnet, die ihre im gerade betrachteten Kontext wesentlichen Eigenschaften beschreiben.
Wenn es keine wahrnehmenden und klassifizierenden Wesen gäbe, könnte es zwar die Welt geben, aber niemand könnte z. B. denken oder sagen "Das ist ein Stein". Also gäbe es auch keine "Steine" und die Welt wäre nur "das Eine", das Alles und Nichts ist, für das es keine naturgegebenen Worte, keine Begriffe gibt. Also wäre die Welt insofern "leer".
Die in den Naturwissenschaften übliche analytische (zerteilende) Vorgehensweise bringt uns immer mehr vermeintliche Erkenntnisse über die Details der Natur unserer Welt. Doch die damit einhergehende Denkweise entfernt uns von der tiefen Erkenntnis der Einheit allen Seins und seiner unfassbaren, wundervollen Größe und Vielfalt. Wer das Wunder des Seins sinnlich erfassen möchte, muss die Zerteilungen und Begriffe hinter sich lassen und sich auf das unmittelbare Erfahren einlassen.